Dienstag, 29. September 2015

Gesellschaft: Was der VW Skandal über uns Konsumenten aussagt.

Zurzeit hat es den Anschein, dass die Flüchtlingskrise und ihre Folgen von ihrem Platz als meist beachtetes und am heftigsten umstrittenstes politisches Thema von einem neuen Konkurrent verstoßen werden könnte. Dem VW-Skandal. Das ist natürlich auch nicht sonderlich verwunderlich, bei diesem geht es schließlich um deutsche Autos , das Lieblingsthema eines jeden Deutschen, und bei der Flüchtlingskrise nun ja nur um Menschenleben. 
Und da dieser schreckliche Skandal nicht nur ein sondern gleich zwei Themen betrifft, die von den Deutschen gerne lang und breit diskutiert werden und bei denen man sich in Deutschland naturgemäß als weltweiter Spitzenreiter sieht, nämlich Innovation und Umweltschutz, ist die Diskussion natürlich auch entsprechend heftig. Zahlreiche, sich wiedersprechende Reaktionen und Meinungen, von sprachlosen Entsetzen, bis zu Verschwörungstheorien, in denen ein Komplott der Naturschutzorganisationen, amerikanischen Autoherstellung und allen beteiligten Regierungen gewittert wird, der zum Ziel hat, die angeblich verhassten, weil vorbildlichen, deutschen Autokonzerne in Misskredit zu bringen, und dem obligatorischen „Hab ichs doch schon immer gewusst“, haben sich sofort gefestigt und keiner will von seinem ersten Eindruck wieder abweichen, wie es in einer breiten gesellschaftlichen Debatte in Deutschland eben üblich ist. 

Doch unabhängig von dieser ebenso aggressiv geführten, wie meist redundanten Debatte, die aus einem der irrationalen Gründe die es so gibt, nämlich dem Nationalstolz, der in Deutschland Autokonzerne nun mal einschließt, emotional sehr aufgeheizt ist, sollte sich jeder einmal klar machen, was dieser Skandal über unsere momentane Art und Weise wie wir in dieser Gesellschaft mit wichtigen Problemen umgehen aussagt.

Auf den ersten Blick erst einmal wenig bis gar nichts. Der VW Konzern und seine Tochterfirmen haben bei ihren Autos, die mit Diesel anstatt mit Benzin betrieben werden, eine Software eingebaut, die bewirkt, dass die messbare Menge an ausgestoßenen Abgasen bei Tests deutlich geringer ausfielen als sie im alltäglichen Verkehr dann wirklich sind. Durch diesen klaren Betrug, war VW in der Lage seine Dieselautos als besonders Umweltfreundlich zu verkaufen, was ihnen in einigen Ländern Subventionen einbrachte und sich natürlich auch in der Werbung gut machte. Generell sind Lügen in der Werbung ja nicht selten und auch wenn hier ein besonders krasser Fall vorliegt, bei dem Gesetze in eklatantem Ausmaß gebrochen wurde, so ist die Nachricht, dass es ein großer Konzern mit den Gesetzen nicht so genau nimmt heutzutage doch keine Schlagzeile mehr wert. Diese entstehen nur wegen der mit dem Skandal einhergehenden Verletzung des deutschen Nationalstolz. 

Doch von diesem ganz abgesehen, könnte man sich einmal fragen, was es für VW so verlockend machte das Gesetz zu brechen und wieso wir, als sonst so kritische Verbraucher, ihre Lügen einfach unkritisch hingenommen haben. Dabei ist die Schlussfolgerung, dass ein Auto, dass ähnlich schnell fährt, eine gleich große Reichweite hat und sich nur in dem einen Punkt von anderen Autos, nämlich dass es statt mit dem üblichen Benzin mit dem LKW-Treibstoff Diesel versetzt mit ominösen Harnstoffeinspritzungen angetrieben wird, unterscheidet, nicht wirklich drastisch umweltfreundlicher sein kann als ein Benziner, im Nachhinein nicht wirklich abwegig. Warum also haben wir diese dreiste und bei näherem Nachdenken unlogische Lüge geglaubt.

Ganz einfach, die Lüge hat uns, die Konsumenten in der „ersten Welt“,  aus einem wirklich schwerwiegenden Dilemma befreit. Auf der einen Seite wissen wir ganz genau, dass die fossilen Rohstoffen eines Tages zu neige gehen werden, wir durch die von herkömmlichen Verbrennungsmotoren ausgestoßenen Abgase der Natur langfristig irreparable Schäden zufügen und es inzwischen höchste Zeit wäre, auf alternative Antriebsformen umzusteigen. Doch leider schätzen wir die Vorteile, wie große Reichweite, hohes Tempo, zahlreiche Tankmöglichkeiten und so weiter, die die herkömmlichen Antriebsformen bieten und die alternativen Energien leider nicht, zu sehr, als dass wir uns dazu durchringen könnten der Umwelt zu liebe auf sie zu verzichten. 

Und genau dieses Dilemma ist typisch für die Art und Weise wie wir in den westlichen Industriestaaten mit wichtigen Problemen umgehen. Obwohl wir wissen, dass viele von ihnen unkompliziert durch Verzicht zu lösen wären, schaffen wir es nicht auf unsere heiß geliebten Privilegien zu verzichten. 
Natürlich finden wir Kinderarbeit und Ausbeutung schlecht, aber billige Klamotten wollen wir trotzdem haben. 
Natürlich wollen wir Lebensräume schützen, aber auf technische Geräte aus Rohstoffen aus dem Regenwald wollen wir nicht verzichten.
Natürlich sind wir gegen Tierquälerei, aber Fleisch aus Massentierhaltung ist so schön billig und schmeckt genauso gut wie das Öko-Fleisch. 
Wer von uns kann sagen, dass er darüber erhaben ist?

Und genau aus diesem Dilemma befreite uns VW, zumindest im Bezug auf Autos und die Umwelt. Endlich konnten wir schnelle Autos fahren und dabei ein gutes Gewissen haben. Das dieses gute Gewissen auf einer hofrechten Lüge basierte, wollten wir natürlich nicht hören, da war es einfacher die Augen ganz ganz fest zu verschließen und sie erst jetzt durch diesen riesigen Skandal gezwungen mit halb echtem halb gespieltem Entsetzen wieder zu öffnen. Und in sofern kann ich auch die VW Manager ein Stück weit verstehen, die angesichts des ganzen Skandals und der öffentlichen Erschütterung den Kopf schütteln und sich denken: „Warum regen sich alle denn so auf, sie wollten doch belogen werden. Wir haben doch nur ein bisschen Profit daraus gezogen.“

Natürlich sind solche Lügen, von denen es sicher noch zahlreiche andere gibt, nicht die Lösung der Probleme. Nein sie können nur kurzzeitig unser Gewissen rein waschen, bis sie aufgedeckt werden und früher oder später werden sie das, denn es gilt nach wie vor: Lügen haben kurze Beine.


Wenn wir nicht immer wieder auf diese Betrügereien reinfallen und schwerwiegende Probleme dauerhaft lösen wollen, müssen wir uns , und ich weiß es ist leicht das zu fordern und schwer tatsächlich umzusetzen, in Verzicht üben und unsere Privilegien im Angesicht der schwerwiegenden Bedürfnisse von Mensch, Tier und Natur zurückstellen. 

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