Montag, 4. Januar 2016

Der Markt machts?

In den 1980er und frühen 1990er schien - zumindest in den Köpfen der damals Regierenden - alles so einfach zu sein. Der Ostblock war dabei zusammenzubrechen, der real existierende Sozialismus funktionierte schon lange nicht mehr, hatte sich weit von allen sozialen Utopien, die von seinen Gründern versprochen worden waren, entfernt und existierte nur noch auf dem Papier.
Scheinbar war ein für alle mal bewiesen, dass die Verteilung von Gütern nach dem Marktwirtschaftlichen Prinzip in der Praxis jedem System überlegen ist, in dem der Staat in die Verteilung von Gütern eingreift. 
Der Kapitalismus war Sieger geblieben und sollte sich nun nehmen, was er erobert hatte. Die Welt: Die Globalisierung begann!
Und so rollte eine Welle, der Deregulierung, der Privatisierung und des staatlichen Rückzuges aus der Wirtschaft, über die Welt hinweg. 
Die Idee war einfach: Durch den weltweiten Austausch von Ressourcen und Gütern nach dem marktwirtschaftlichen Prinzip, der dank Wegfallen der Blockgrenzen nun möglich war; durch den gesunden und fairen Wettkampf von Akteuren auf der ganzen Welt, der von den einzelnen Nationalstaaten möglichst wenig behindert und besteuert werden sollte, sollten sich Wohlstand und Demokratie überall auf der Welt verbreiten.

Schön wärs. Der entfesselte, gnadenlose Wettkampf, der von Anfang unmöglich fair sein konnte, erzeugte, wie jeder Wettkampf, Verlierer und Gewinner, nur dass von vorne herein feststand wer Verlierer und wer Gewinner sein würde. 
Die Chancen waren so ungleich, wie sie nur sein konnten, war doch das Kapital, in Folge des wirtschaftlichen Untergangs der sozialistischen Staaten im Osten, in den westlichen Industrienationen konzentriert, die sich dazu hin noch, in langen Kriegen, die Kontrolle über einen großen Teil der weltweit geförderten Rohstoffe gesichert hatten und immer noch sicherten. 
Doch nicht nur der Wettbewerb des Konzerne, sondern auch die Konkurrenz zwischen den Arbeitnehmern baute auf ungleichen Vorraussetzungen auf. Vor allem im Niedriglohnsektor konnten ungelernte Arbeiter in der ersten Welt, aufgrund der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten, unmöglich mit ihren Konkurrenten in Asien mithalten. 

Die Großkonzerne aus der ersten Welt, die über das bei weitem höchste Startkapital, die, in schmutzigen Kriegen erworbene, Kontrolle über den größten Teil der weltweit verfügbaren Ressourcen und Rückhalt in den mächtigsten Nation der Welt verfügten, konnten sich spielerisch leicht als mächtigste Akteure auf dem neugeschaffenen globalen Markt durchsetzen. 
Sie zwangen die Arbeiter Asiens in eine Lohnsklaverei, die wohl noch schlimmer ist, als sie zu Hochzeiten der Industrialisierung in Europa und den USA war, was diese jedoch aufgrund des dadurch leicht gestiegenen Lebensstandard ohne Widerspruch hinnahmen, und ließen im Gegenzug die nicht konkurrenzfähigen Arbeiter in der ersten Welt unter den Tisch fallen. Bald mussten auch kleinere Unternehmen, vor allem in Afrika, den neuen international agierenden Alpha-Wölfen Platz machen. 
Anstatt dass, wie geplant, Menschen überall auf der Erde der neuen Macht des globalen Markts profitierten, profitierten lediglich lokale Strohmänner und die Aktionäre der westlichen Großkonzerne, die schon vorher reich gewesen waren. 

Infolge dessen wurde der Unterschied zwischen den Reichen und Armen weltweit immer größer und nimmt heute astronomische Ausmaße an, während die Mitte zwischen den beiden Polen immer kleiner wird. 
Heute stehen neben den einigen wenigen Gewinnern Milliarden von Verlieren, die der Verelendung Preisgegeben sind. Dieses Elend beschränkt sich nicht nur auf die stets Benachteiligten Gebiete der zweiten und dritten Welt, sondern betrifft, freilich in kleinerem Ausmaß, mehr und mehr auch uns in der ersten Welt. 
Viele, vor allem Ungelernte und Menschen mit geringer Ausbildung, konnten mit der Konkurrenz der billigen, ausgebeuteten Arbeitern in Asien nicht mehr mithalten und verloren damit nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihren Stolz. Sie sind nun keine Mitglieder der weltweiten Leistungsgesellschaft, sondern abgehängte Globalisierungsverlierer.
Und da die Nationalstaaten im Zuge der Liberalisierungspolitik, die Steuern und Abgaben der Konzerne gesenkt haben, haben sie heute nicht mehr die Mittel diesen Menschen ohne finanzielle Not, die Sozialleistungen auszuzahlen, die vor Beginn der Globalisierung noch Standart waren. 
Staaten die das trotzdem versuchen, rutschen schnell in die Krise ab, wie man es an den Südeuropäischen Staaten sehen kann. 
Die wirtschaftsliberalen Nationalstaaten, auch Deutschland, stehen nun vor der Wahl, sie können dem  Elend nur auf zwei Weisen beikommen, wenn sie keinen Abzug von Kapital aus ihrem Staat riskieren wollen, sie können entweder die Sozialleistungen für diejenigen, die dem Konkurrenzkampf bereits erlegen sind, senken, oder die Steuern für diejenigen, die geradeso noch mithalten können, erhöhen. 
Beides schafft Sozialneid und soziale Unsicherheit, die sich letztlich in Verzweiflung und irrationale Wut auf völlig unschuldige andere Opfer, entladen, wie man bei Pegida und ähnlichen Veranstaltungen beobachten kann. 
Dort wenden sich die Verzweifelten einer Ideologie zu, die ein Gemisch aus Sowjetischen und Nationalsozialistischen Vorstellung ist, und suchen den Grund ihres Elend, da sie die großen Zusammenhänge nicht verstehen, in versponnen Verschwörungstheorien.


Die Politiker und Ökonomen der 80er und 90er, deren Vorstellungen auch heute noch von vielen liberalen und konservativen Politikern geteilt werden, haben sich geirrt. Sie werden die Dämonen die sie riefen, nun nicht mehr los. Der einzige Weg um ihre Fehler wieder gut zu machen, ist eine neue soziale Politik, in der man dem Staat als Überbau der Gesellschaft wieder zutraut, die Marktwirtschaft zu kontrollieren und im Zaum zu halten. 

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