Sonntag, 20. September 2015

Rechtsextremismus: Jahrelang wurden Rechtsextreme Tendenzen in der Mitte der Gesellschaft ignoriert. Jetzt müssen wir mit den Konsequenzen leben.

PEGIDA, Freital, Heidenau und andere rechtsextreme Gewaltakte nicht nur im Osten, sondern überall in Deutschland, kein anderes Thema ist im Augenblick so präsent in den Medien wie dieses. Überall in Deutschland fragen sich die Menschen woher dieser Hass kommt, warum es in Dresden ein vorbestrafter Rechtsextremer, der alle Ausländer für „Viehzeug“ hält, schaffen konnte, jeden Montag bis zu 15 000 sogenannte „Patriotischen Europäer“ zu mobilisieren, warum sich in Heidenau rechte Krawallmacher aus der ganzen Bundesrepublik nächtelang Straßenschlachten mit der Polizei liefern und sich dabei auch noch der Unterstützung der Anwohner sicher sein können und das obwohl sich der sächsische Ministerpräsident vor einigen Monaten doch noch sicher war, dass die Sachsen immun gegen den Rechtsextremismus sind. Die Politiker scheinen perplex darüber zu sein, dass sich im angeblich so aufgeklärten toleranten Deutschland auf einmal so viele Menschen zu rechtsextremen Ideologien bekennen.

Doch wenn einmal ehrlich ist, dann stimmt es nicht, dass diese Ideologien von einem Tag auf den anderen erstarkt ist. Es ist ein Fakt, das extremes rechtes Gedankengut in manchen Teilen Deutschlands keine gesellschaftliche Randerscheinung ist. Die abscheuliche Pflanze, deren Früchte man bei jeder Anti-Asyl-Demo, bei jedem rassistischen Hetzkommentar im Internet sehen kann, hat ihre Wurzeln mancherorts bis tief in die deutsche Gesellschaft geschlagen. 
In heutigen Tagen brechen der Hass, die Wut und die politische Missorientierung, die sich in den letzten zwanzig Jahren nicht nur in Ostdeutschland ungestört aufgestaut haben, nur offen heraus, sie sind nicht neu entstanden. Seit der Wiedervereinigung wird von der deutschen Öffentlichkeit zugelassen, dass sich radikal rechtes Gedankengut mehr und mehr in der Mitte der Gesellschaft einnistet. 
Neonazistische Krawallen und extreme Bewegungen wurden jahrelang zu Randerscheinungen verklärt, die nur von den Dummen und Arbeitslosen am Rande der Gesellschaft getragen und sich daher auf kurz über lang wieder im Sande verlaufen würden. Selten wurde nachgeforscht welche gesellschaftlichen Entwicklungen hinter dem Erstarken der radikalen Rechten stand. 
Das Naziproblem wurde auf die Ränder der Gesellschaft begrenzt, rechtsextreme Tendenzen in der Mitte wurden geleugnet.

Dieses Verhalten ist ein Nachhallen des Kampfes zwischen den Systemen, der während dem Kalten Krieges stattfand. Schon in der DDR wurden Neonazistische Aktivitäten von der Polizei und dem Staat regelrecht vertuscht. Im sozialistischen Musterstaat, in dem der Antifaschismus gelebte Staatsideologie war, durfte es einfach keine Nazis geben. Das passte nicht in das Weltbild der SED Funktionäre, für die Neonazismus ein Phänomen war, das es nur im kapitalistischen Westdeutschland geben konnte. 
Im Westen war es ähnlich, jedoch nicht genau gleich. Im Gegensatz zum Osten wurde die Existenz von Neonazis nicht geleugnet, aber sie wurden auf die Ränder der Gesellschaft begrenzt. Das Rassismus und Antidemokratie auch in der Mitte der Gesellschaft zu finden waren, das trauten sich jedoch höchstens Hippies und Punks anzusprechen. Für alle anderen war es ein Tabu darüber zu reden.
Nach der Wende der Wende verstärkte sich diese Haltung noch einmal. Denn von nun an war es jedem Ostdeutschen ganz leicht möglich Sozialismus und Kapitalismus zu vergleichen. Er musste sich nur an seine Zeit in der DDR zurückerinnern und diese mit den aktuellen Zuständen abgleichen. Dabei sollte aber niemand zu der Erkenntnis kommen, dass Neonazismus und Rassismus im heutigen System weiter verbreitet sind als in der DDR.

Diese fehlende Auseinandersetzung mit rechtsextremen Tendenzen nicht nur am Rand der Gesellschaft förderte ein fehlendes Problembewusstsein und verhinderte damit auch, dass wirkungsvolle Maßnahmen gegen Rechte in der Mitte der Gesellschaft ergriffen wurden. Es war schlicht und einfach unangenehm zuzugeben, dass Rassismus ein Problem ist, dass es in allen Schichten der Gesellschaft gibt. Man neigte dazu sich, selbst über alle rechten Gedanken erhaben zu fühlen und sie als ein Problem der Dummen und Ungebildeten ab zu tuen. 
Und so erstarkten radikal rechte Gruppierungen, die nicht nur aus Asozialen und Arbeitslosen bestanden, sondern auch von von ganz normalen Durchschnittsbürgern, die sich selbst nicht als Nazis definieren, mit getragen wurden. Da man es nicht wahrhaben wollten, war man nicht in der Lage wirkungsvoll dagegen vorzugehen.


Heutzutage sind solche Gruppierungen so stark, dass es für niemanden mehr möglich ist wegzusehen. Man muss einsehen, dass das „Nazipack“ nicht nur von den Rändern des Gesellschaft kommt und man hat es nicht geschafft diese Entwicklung zu verhindern. Nun müssen wir mit den Konsequenzen leben, auch wenn diese sind, dass wir Nazis als ernste politische Bedrohung anerkennen müssen und neonazistische Taten nicht länger als Jugendsünden künftiger Arbeitsloser ansehen können.

4 Kommentare:

  1. Du hast auch leicht reden. Wie soll denn konkret eine Maßnahme gegen "rechte Tendenzen" aussehen? Und welche gesellschaftlichen Entwicklungen stehen denn nun dahinter? Abgesehen davon ist es problematisch einfach rechts mit Nazi gleichzusetzen.
    Gruß von Stefan O. W. Weiß

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    1. Aufklärung, Kampagnen und dass man den Menschen klar macht, dass nicht jeder Nazi ein Skinhead ist, sondern das auch dein Nachbar, Kollege oder Chef rechtsextremes Gedankengut in sich tragen kann, sodass sie entsprechende Äußerungen nicht mal Ausrutscher wegwischen. Das wären für Maßnahmen gegen Rechtsextremes Gedankengut.
      Dafür müsste man natürlich erst mal zugeben, dass es auch in der Mitte der Gesellschaft existiert.

      Und sie haben natürlich recht, Rechts ist nicht gleich Nazi, ich werde die paar mal, die ich rechts statt rechtsextrem geschrieben habe korrigieren.

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    2. Was würdest du denn einem aufklärungsbedürftigen Menschen konkret sagen, wenn du eine solche Kampagne starten wolltest? Ich war mal eine Zeitlang in einem politischen Diskussionsforum aktiv, wo es ziemlich rechte Typen gab. Ich kann dir versichern, die waren weder dumm, noch unaufgeklärt.
      Gruß von Stefan O. W. Weiß

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    3. Nicht die Rechten sollen aufgeklärt werden. Die Menschen in der Mitte der Gesellschaft sollen aufgeklärt werden, so nach dem Motto Vorsicht, nur weil der Herr in deiner Tür Anzug trägt, nur weil im Namen der Partei das Wort National nicht vorkommt, auch wenn in dem Flugblatt nicht direkt gegen Ausländer sondern nur gegen Asylbetrüger agitiert wird, kann da trotzdem extremes rechtes Gedankengut dahinter stehen.

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