Mittwoch, 23. September 2015

Griechenland: Die Wahl bringt neue Hoffnung und schürt alte Ängste.

Die Wahl in Griechenland, die in der deutschen Presse beachtlich wenig Beachtung fand, hat Tsipras und seine Koalition aus Links und Rechtspopulisten bestätigt. Ein unspektakuläres Ende einer unspektakulären Wahl, dass so jedoch keiner erwartet hatte. Die meisten Experten hatten mit einen Kopf an Kopf Rennen zwischen SYRIZA und der konservativen Nea Dimokratia, die Tsipras jedoch mit einem Vorsprung von mehr als 7% souverän hinter sich ließ, gerechnet. Ebenso unvorhergesehen war, dass die ultralinke anti-europäische Abspaltung von SYRIZA, die Volkseinheit, die im Vorfeld der Wahl in manchen Umfragen auf dem dritten Platz lag, an der 3%-Hürde gescheitert ist. Gleichzeitig stieg der Anteil der Nichtwähler auf 45%, sie waren damit die mit Abstand stärkste Kraft im Land.

Das Ergebnis der Wahl zeigt klar und deutlich, dass die Griechen, genau wie ihr Ministerpräsident, eingesehen haben, dass sich tiefgreifende Reformen in ihrem Land, die auch dem schmerzhaften Abbau der zahlreichen sozialen Privilegien, die die Griechen bis her genossen hatten,nicht vermeiden lassen, wenn sie im Euro bleiben wollen. Und das wollen sie. Ansonsten hätte sich die Volkseinheit, die bei der Bekämpfung der Sparauflagen auch einen Austritt aus der Euro-Zone in Kauf genommen hätte, über einen deutlich höheren Stimmenanteil freuen können. Ob sie jedoch einsehen, dass diese Reformen aus wirtschaftlichen Gründen schlicht und einfach nötig sind, wenn sich Griechenland im jetzigen Wirtschaftssystem in der EU wieder erholen soll, oder ob sie weiterhin denken, dass sie den Griechen von Deutschland nur aufgezwungen worden seien und man vor den Deutschen kapitulieren müsste, wenn man sich den Euro erhalten will, geht aus dem Wahlergebnis natürlich nicht hervor.

So oder so, dass Wahl-Ergebnis ist für Europa ein Gewinn. Ging Tsipras als klarer Vertreter der Griechen, die ihre jetzige Art und Weise zu leben und zu wirtschaften erhalten wollen, aus der letzten Wahl im September hervor, so ist er jetzt doch eher ein Kompromiss zwischen den Griechen und den EU-Spitzen. Zum einen sprach er sich, genau wie die Vertreter aller anderen etablierten Parteien, für einen Verbleib in der Euro-Zone aus und garantierte dafür, dass die Reformen nun auch umgesetzt werden würden. In diesem Kontext schwor er die Griechen auf harte Zeiten ein. Gleichzeitig versprach er ihnen im Gegensatz zu seinem konservativen Hauptkonkurrenten aber auch, dass er die Last des Sparpaketes für die Armen zumindest so gut wie möglich abfedern und dafür eher die reicheren Bürger, die bisher weniger unter der Krise zu leiden hatten, belasten wolle. Auch Nachverhandlungen mit den internationalen Geldgebern über einzelne Punkte des Vertrages zum dritten Rettungspaket strebt er an. So etwas hören Gläubiger und Geldgeber, die einen Sieg der Konservativen befürwortet hätten, natürlich nicht gern. Generell sollten sie jedoch zufrieden damit sein, dass Tsipras sich verpflichtet die Reformen durchzuziehen. Aber auch hier steht er unter Druck, denn schon in wenigen Monaten werden die Geldgeber zum ersten mal überprüfen ob er seine Zusagen auch Wirklich erfüllt. Er hat nun also die Pflicht schnell Reformen einzuleiten. Wenn er das tut, so scheint es zumindest so, als wären die Vorraussetzungen für eine Zeit gegeben, in der sich die EU und Griechen auf einen gemeinsamen Kurs geeinigt haben und nun etwas Ruhe in Griechenland einkehren könnte.

Gleichzeitig offenbaren sich bei der Wahl jedoch auch negative und gar bedrohliche Tendenzen in Griechenland. Es scheint als ob viele Griechen, die im September gegen Reformen gestimmt hatten und von Tsipras Kehrtwende überrascht wurden, von der Demokratie enttäuscht seien. Man kann sich vorstellen, dass sie den Eindruck haben, es wäre egal wen sie wählen, am Ende würden doch die europäischen Geldgeber, die Gläubiger und die von ihnen bestimmte Troika bestimmen, welche Politik in Griechenland gemacht wird. Das würde auf jeden Fall den sprunghaften Anstieg des Anteiles an Nichtwählern in Griechenland um gut 10% erklären. 
Noch konnte von diesem Schub an Demokratieverdrossenheit keine Partei profitieren. Doch mit Chrysi Avi, zu deutsch: Völkischer Bund Goldene Morgenröte, und diversen anderen demokratiefeindlichen rechts wie linksextremen Parteien und Organisationen stehen bereits mehr als genug Nutznießer dieser Entwicklung auf dem Plan.

Man sieht, die Probleme in Griechenland sind mit dieser Wahl nicht gelöst. Und sie könnten sich sogar noch verschärfen, wenn das Land nach dem Auslaufen des neuen Rettungspaketes erneut vor der Zahlungsunfähigkeit steht. Denn es scheint unwahrscheinlich, dass Griechenland in den nächsten Jahren wieder fähig sein wird, seine Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern ohne die Hilfe von den anderen EU-Staaten und dem IWF zu erfüllen. Solange wird wohl auch der Einfluss der Geldgeber auf die griechische Politik erhalten bleiben.

Nichts desto trotz haben die Griechen gezeigt, dass sie dem Konzept Europa vertrauen und bereit sind Reformen über sich ergehen zu lassen. Diese positive Grundhaltung muss von den internationalen Geldgebern gewürdigt werden, beispielsweise durch das Erlassen einiger Schulden. Die Griechen sollten den Eintrug bekommen, dass Europa mit ihnen arbeiten und nicht gegen sie. Sonst könnte diese Stimmung schnell wieder kippen und einer anderen, bedrohlichen Entwicklung Platz machen. Einer Zukunft in der das Konzept Europa und möglicherweise auch die Demokratie keine Rolle mehr spielen.

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