Sonntag, 6. September 2015

EU: Warum mehr und mehr Linke von der EU abfallen.

Durch die Art, wie sie mit den Krisen in Südeuropa umgegangen ist, hat sich die EU zahlreiche Feinde gemacht. Doch diese finden sich nicht ausschließlich am rechten Rand, wie man eigentlich erwarten könnte. Auch die europäischen Linken, die sich ja eigentlich den Internationalismus auf die Fahnen geschrieben haben, finden mehr und mehr Gefallen daran gegen das sogenannte „Brüssler Diktat“ zu hetzen und sogenannte „Nationale Souveränität“ einzufordern. Dabei teilen sie sich immer öfter Slogans mit rechten Kräften.
Doch die oberflächliche Ähnlichkeit der Ziele täuscht. Man muss die Motive der Linke, die die EU ablehnen, näher unter die Lupe nehmen, wenn man verstehen will, wieso nun ausgerechnet die Internationalisten von der EU abfallen und welche Konsequenzen das für den Prozess der europäischen Einigung haben kann, wenn man nichts dagegen unternimmt.

Die französische Linkspartei hat sich inzwischen geschlossen vom Euro abgewandt, das Griechische Linksbündnis SYRIZA ist genau an dieser Frage zerbrochen, die EU-Gegner spalteten sich mit ihrer eigenen neuen Partei, der Volkseinheit, von Tsipras und der Basis, die weiterhin für einen Verbleib in der EU wirbt, ab und auch in der deutschen Partei „DIE LINKE“ werden rund um Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine Stimmen laut, die die EU komplett abschaffen wollen. Es scheint, als wären die linken Kräfte in Europa enttäuscht vom Weg, den die EU genommen hat. 

Jahrzehntelang befürworteten sie die europäische Einigung, in der Hoffnung ihre sozialistischen Ziele, bei deren Durchsetzung sie in den Jahren vor der Union auf nationaler Ebene nicht weiterkamen, nun auf supranationaler Ebene verwirklichen können. 
Doch nun zeigt sich, dass von der EU nicht die Linkssozialistischen, sondern die Neoliberalen Kräfte profitiert haben. Im Zuge der Krise zwangen Staaten wie Deutschland, die aufgrund ihrer liberalen Wirtschaftspolitik, die in Deutschland seit Schröder verfolgt wird, finanziell deutlich besser da standen als die Südeuropäischen Staaten, in denen lange Zeit soziale Wirtschaftspolitik gemacht wurde, soziale Privilegien für die Bevölkerung rückgängig zu machen. 

Die Linken bekommen ein Manko der EU zu spüren: Gesetzvorschläge der EU, die zwar noch von den nationalen Parlamenten bestätigt werden müssen, jedoch nur selten abgelehnt werden und damit nach ihrer Veröffentlichung praktisch so gut wie beschlossen sind, werden nicht unter den Augen der Öffentlichkeit von Ministern in Zusammenarbeit mit Ausschüssen, die mit Vertretern aller Parteien besetzt sind, sondern von den Regierungschefs hinter geschlossenen Türen ausgearbeitet. Oppositionsparteien haben bei diesen Verhandlungen wenig bis gar nichts mitzureden. De facto sind die Regierungschefs der einzelnen Staaten, die in ihren Heimatländern der Exekutive vorstehen, auf europäischer Ebene die Legislative. Dieser Umstand macht es für politische Minderheiten schwierig auf supranationaler Ebene Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen.

Das frustriert die Linken. Sie hoffen auf Reformen, wissen aber, dass sie keine Aussichten haben in genügend Länder den Regierungschef zu stellen, um diese Reformen einzuleiten. Und so verlieren sie den Glauben in die Reformierbarkeit der EU und beginnen zu behaupten, dass ein Rückschritt auf nationale Ebene notwendig wäre, um künftige supranationale Projekte von Anfang an besser zu machen.

Das drohende Abfallen der Linken von der EU, sollte auch denjenigen zu denken geben, die im Augenblick das Ruder in der EU in der Hand haben. Ob, beziehungsweise wie lange noch, eine EU bestehen kann, die von rechts und von links abgelehnt wird, ist fraglich. Es besteht die Gefahr, dass linke Wähler, die die neoliberale EU ablehnen, von den Sozialdemokraten, die fest hinter der EU stehen, zu den Linkssozialisten abwandern, genau wie im Augenblick rechte Wähler, die das multinationale Konzept der EU ablehnen, von den wirtschaftsliberalen mitte-rechts Parteien zu rechtskonservativen bis rechtsextremen Kräften gehen.
Wenn die Kräfte der politischen Mitte die EU als Staatenbund, der die Option hat sich eines Tages zu einem Bundesstaat zu entwickeln, erhalten wollen, müssen sie beginnen die EU zu reformieren, um den Linken zu zeigen, dass die EU ihr Potenzial nicht verloren hat. Das EU-Parlament muss zur einzigen legislativen Kraft auf supranationalen Ebene werden, bei der alle politischen Parteien zumindest mitreden dürfen, der Einfluss der Regierungschefs auf europäischer Ebene beschnitten werden und die EU-Kommission zu einer richtigen, von der Mehrheit des Volkes legitimierten, europäischen Regierung werden. Diese Reformen müssen nicht unbedingt mit einem Politikwechsel einhergehen. Wichtig ist auf europäischer Ebene die Ansätze für eine pluralistische Demokratie zu schaffen, auch wenn damit die Macht einzelner Nationen, vor allem Deutschlands, beschnitten wird.



Merkel und ihre Verbündeten müssen verstehen: Um einen Schritt nach hinten zu verhindern, muss ein Schritt nach vorne gemacht werden, der Status quo, den Parteien der Mitte generell gerne erhalten, hat keine Zukunft mehr!

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